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Eberhard Karls Universität - Tübingen

Eberhart Karls Universität Tübingen, Allemagne
Colloque international
7-8 juillet 2017

Die internationale Anerkennung von Staaten von der Antike bis in die Gegenwart

Collaborative Research Council 932 'Threatened Orders'

Die internationale Anerkennung schafft Legitimität für die unabhängige Existenz neuer, souveräner politischer Einheiten. Einerseits stellt sie sich als re-ordering process dar, andererseits fungiert sie als Konfliktlösungsmechanismus im Rahmen der internationalen Bewältigungspraxis von Krisen. Als juristische, politische und territoriale Neuordnung ruft sie die verschiedensten sozialen Akteure auf den Plan und macht es notwendig, wissenschaftlich-technische, intellektuelle bzw. symbolische Mittel (z. B. Umdeutung von Traditionsmustern) zu mobilisieren. Die Schaffung einer neuen, souveränen Einheit erzwingt zudem die Neuverteilung der politischen Macht und sozialen Autorität. Sie kann Auslöser eines zwischenstaatlichen Krieges oder eines Bürgerkrieges sein, zur territorialen Zersplitterung führen, das Erscheinen einer unabhängigen Nation auf der Weltbühne bedeuten oder der Beginn einer langen Friedenszeit sein. Die internationale Anerkennung beendet einen Ausnahmezustand, in dem die etablierte Ordnung zusammenbricht, um Platz für eine neue, souveräne Macht zu schaffen. Von Beginn einer politischen Krise an beschäftigen sich verschiedene Interessengruppen innerhalb und außerhalb der politischen Gemeinschaft mit der Frage, was getan werden kann, um zur Ordnung zurückzukehren.

Die gegenseitigen Abhängigkeiten und Wechselwirkungen zwischen der internationalen Anerkennung, der institutionellen Krise und der politischen und wirtschaftlichen Umgestaltung erlauben es, die damit verbundene Problematik interdisziplinär und im Verlauf der Jahrhunderte zu betrachten. In vormodernen Gesellschaften stellte sich das Problem der Anerkennung mit Blick auf die Gründung von Stadtstaaten bzw. Reichen oder das Eingehen von Militärallianzen. In der Moderne ist die internationale Anerkennung ein entscheidender Faktor der Fortentwicklung des Völkerrechts. Aus der zeitgenössischen Perspektive und unter Einbezug der aufeinanderfolgenden Wellen der Dekolonialisierung und der jüngeren Geschichte Russlands lässt sich zum einen die Frage aufwerfen, welche konkreten Vorteile die Anerkennung eines Staates dem anerkennenden Staat bringt, zum anderen lassen sich die Probleme untersuchen, die mit der Aufwertung von Rebellen zu einer kriegsführenden Partei (z. B. im Falle der Ostukraine) einhergehen.

Diese Tagung soll Raum bieten für eine Diskussion zwischen Historikern, Politologen und Völkerrechtlern, die aus einem praktischen und theoretischen Blickwinkel an diesen komplexen Phänomenen interessiert sind, über fünf thematische Dimensionen hinaus: Grenzen, Religion, Recht/Praxis, Gewalt/Krieg, Skaleneffekte (lokal, national, international). Diese fünf Dimensionen werden in zwei Modelle des Staatsaufbaus eingeordnet: Zerfall (z. B. Sowjetunion) und Vereinigung (z. B. Deutschland).

Für die einzelnen Vorträge sind 30 Minuten Präsentationszeit und 15 Minuten für Fragen vorgesehen. Eine Publikation ist geplant.


> Integration, disintegration and confederated unification. Institutional (r)evolutions in the Low Countries, 1550-1650

In the 16th century, three interesting phenomena interact in the Habsburg Netherlands and result in profound institutional changes:
— The Great Discoveries shift the European economic centre from the Mediterranean to the Atlantic coast. As a result, the Netherlands ‘appear on the map’ and become an important crossroad of economic exchanges, at a European and even global scale.
— The extensive communications between the Netherlands, Mediterranean Europe and the French and German Hinterland also play an essential role in the religious field. The Low Lands become a meeting point of religious movements and reforms, ranging from A Kempis, Erasmus, Luther, Simons, Calvin and many others to the Catholic/Counter Reformation.
— Finally, besides the economic and religious changes and crises, the Netherlands experiences a political transformation. The Emperor Charles V, born in Ghent, unifies the Country (Circle, or ‘Kreis’) and reigns his numerous possessions from Brussels. His State building and integration efforts, assembling formerly independent States, put a strain on the institutional organization and legal habits, and encounter increasing resistance. The integration of the Burgundian Circle turns out to be short-lived.
The conjunction of these social and political phenomena results in a century lasting crisis, mingling economic, social, religious and political components: the Dutch Revolt (1568-1648). This crisis combines a civil war (with a religious dimension) and an international conflict, resulting together in the disintegration of the newly built Habsburg State and the creation or unification of a new confederated State, the Republic of the United Provinces. The United Provinces perpetuate the institutions of the Habsburg Netherlands, while altering them in order to return to an idealized and rather imaginary anterior state.

Hence, this area offers an interesting case of Early Modern institutional evolutions and revolutions, strongly linked to both internal crises and to the international context. The international diplomatic recognition of the Republic ranges from 1592 to 1648, and reveals the political map of Europe. From the Deposition of Philip II by the General States of the United Provinces in 1581 (Plakkaat van Verlatinghe) to the triumphant Peace of Westphalia of 1648, it takes 67 years to establish the official recognition of the confederated Republic of the United Provinces.

This paper intends to explore the institutional aspects of the Dutch case, analysing the disintegration of Charles V’s creation and the subsequent recomposition of a new State, as well as the religious dimension of this combined civil and international war, wherein Calvinism provides a theoretical justification of the local resistance to higher authorities.